Was ist Seilzugangstechnik und was ist zu beachten?

Erfahren Sie mehr über die Entstehung und die Rechtsgrundlagen der Seilzugangstechnik

Was ist Seilzugangstechnik?

Der Begriff Seilzugangs- und Positionierungstechnik (kurz: SZP) ist in Deutschland unter verschiedenen Namen wie Industrieklettern, Höhenarbeit oder auch Fassadenklettern bekannt geworden. International hat sich der Begriff Rope Access etabliert. Unter all diesen Bezeichnungen versteht man ein und dasselbe: es handelt sich um eine Arbeitsplatzpositionierung, die unter Zuhilfenahme von mindestens einem planmäßig belastetem Arbeitsseil und der zusätzlichen Nutzung eines zweiten, unbelasteten Sicherungsseiles erreicht wird. Die Entstehung der Seilzugangstechnik geht auf die 1930er Jahre zurück. Beim Bau der Golden Gate Bridge wurde erstmalig die Seilsicherung als Mittel zur Sicherung gegen Absturz eingesetzt.

Die Anwendung der Seilzugangstechnik ist in den letzten Jahren zu einer festen Alternative zu herkömmlichen Zugangsmethoden wie Hubarbeitsbühnen oder Fassadengerüsten geworden. Gründe hierfür liegen sowohl in der schnellen und flexiblen Einsatzfähigkeit der Industriekletterer, als auch in der Kostenersparnis für den Auftraggeber. Miet- und Montagekosten für herkömmliche Zugangshilfsmittel entfallen, Einschränkungen für die Umgebung durch Baugerüste oder Hubsteiger können vermieden werden, Abstimmungen mit einem zusätzlichen Lieferanten entfallen.

Typische Arbeiten und Einsatzorte für Höhenarbeiter sind Inspektion, Reparaturen und Reinigung an Windenergieanlagen, Fassaden, Türmen, Silos und Produktions- sowie Lagerhallen.

Wie funktioniert die Seilzugangstechnik und was ist zu beachten?

Höhenarbeiter/Industriekletterer arbeiten unter Anwendung der Seilzugangs- und Positionierungstechnik. Grundlegend hierfür ist ein redundantes System, welches aus zwei Seilen besteht, man spricht hierbei vom Tragseil (Tragsystem) und dem Sicherungsseil (Sicherungssystem). Das Tragseil wird durch die Positionierungstätigkeit des Monteurs permanent belastet. Das Sicherungsseil ist dauerhaft unbelastet und  fungiert als Redundanz  im Falle eines versagenden Tragseiles.

Gewerblich tätige Höhenarbeiter erlernen die Seilzugangstechnik in Fachausbildungen. Diese sind in mehrstufige Qualifikationslevel aufgeteilt und dauern in der Regel 5 Tage je Level  inklusive einer abschließenden Prüfung in Theorie und Praxis. Weitere Information hierzu erhält man beispielsweise unter:
www.fisat.de 

Die verwendete Ausrüstung der Industriekletterer besteht aus genormten Einzelkomponenten, die jährlich durch einen Sachkundigen geprüft und schriftlich in einem Prüfprotokoll aufgeführt werden müssen.

Bevor die eigentliche Durchführung der Arbeit beginnt, ist Vorarbeit zu leisten. Der Aufsichtsführende Höhenarbeiter trägt die Verantwortung für die Sicherheit auf der Baustelle. Nach Besichtigung des Arbeitsplatzes erstellt er eine objektbezogene Gefährdungsermittlung. Hier werden die baustellenspezifischen Gefahren aufgelistet. Dies können Gefährdungen durch den Zugang, Gefährdungen durch die Arbeit selbst oder auch Gefährdungen durch das Umfeld sein. Nachdem entsprechende Maßnahmen zur Vermeidung der Gefahren entwickelt und festgelegt wurden, wird die objektbezogene Betriebsanweisung erstellt. Hier werden grundlegende Anweisung für die Monteure aufgeführt, angefangen bei den Zuwegen zum Einsatzort, über die Auswahl der Anschlagpunkte, bis zur Planung des Rettungsweges und das Verhalten im Notfall.

(Textauszug aus der Webseite des Fisat – https://www.fisat.de/seilzugangs-und-positionierungstechniken/zugangsverfahren)

Seit wann gibt es in Deutschland die Seilzugangstechnik?

In Deutschland wurde die Seilzugangstechnik durch die 1995 stattfindende Verhüllung des Reichstages in Berlin bekannt. Über einhundert Höhenarbeiter haben damals das Konzept des Künstlerpaares Christo und Jeanne-Claude Realität umgesetzt. Eigentlich war das Arbeiten am Seil in Deutschland damals nicht erlaubt, aber nach langen Verhandlungen hat die Bau-Berufsgenossenschaft für das Kunst-Projekt eine Sondergenehmigung erteilt. Um die Seilzugangstechnik in Deutschland als zulässiges Positionierungsverfahren dauerhaft zu etablieren, haben sich die beteiligten Höhenarbeiter damals entschlossen, die Sicherheits- und Ausbildungsstandards für die Seilzugangstechnik genau zu definieren. Aufgrund dessen wurde im Januar 1995 der Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken e.V. (FISAT) gegründet.

Gibt es für die Seilzugangstechnik eine gesetzliche Regelung?

Durch die Richtline 2009/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 sind Seilzugangs- und Positionierungstechniken als Arbeitsmittel in Europa legitimiert. Diese Richtline ist in Deutschland national durch die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) umgesetzt. In Anhang 1 der BetrSichV finden sich unter Punkt 3 die "Besonderen Vorschriften für die Verwendung von Arbeitsmitteln bei zeitweiligen Arbeiten auf hochgelegenen Arbeitsplätzen", die besagen, dass Seilzugangstechniken verwendet werden dürfen, wenn die Gefährdungsermittlung ergibt, dass die betreffende Arbeit sicher durchgeführt werden kann.

Die BetrSichV wird durch die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) konkretisiert, wobei die "Verwendung von Zugangs- und Positionierungsverfahren unter Zuhilfenahme von Seilen" in der TRBS 2121 Teil 3 beschrieben wird.

Inhaltlich noch konkreter wird das Verfahren in der DGUV Information 212-001 beschrieben, die Anforderungen an Prüfungen von Höhenarbeitern und Höhenarbeiterinnen regelt der DGUV Grundsatz 312-003.

Auf internationaler Ebene werden Seilzugangs- und Positionierungstechniken im ISO Standard 22846 (Rope Access Systems) beschrieben.


(Textauszug aus der Webseite des Fisat – https://www.fisat.de/seilzugangs-und-positionierungstechniken/zugangsverfahren)